730 Tage Urlaub….., oder??

 

 

Wir haben am 12.08.2015 in unserem Heimathafen Lemmer, NL die Leinen los geworfen und seitdem nicht mehr zurück geschaut, na ja fast nie….

 

Hier kurz ein paar Zahlen:

 

9247 Seemeilen laut GPS zurückgelegt (~17.000 km)

 

126 Tage auf See (18%), 604 Tage im Hafen oder unter Anker (82%). Das entspricht ungefähr dem Verhältnis 20/80 (See-/Hafentage), welches im www. rumgeistert.

 

 

 

2 Jahre unterwegs, ohne die bekannte tägliche Tretmühle, das muß dann ja wie Urlaub sein?!?

 

Mit welchen Erwartungen haben wir die Leinen los geworfen? Was ist aus unserer Vorstellungen von einer Auszeit, der Freiheit zu tun und zu lassen was uns beliebt, ungebunden zu sein……letztendlich Frei in unseren Entscheidungen zu sein………geworden?!?

 

 

 

Den Zahn der „Freiheit“ und der „freien Entscheidung“ hat uns die Realität als erstes gezogen………Im Englischen Kanal richtet sich der Segel Tag nach den Gezeiten und dem Wind! Also nix mit ablegen wann es einem beliebt und hin segeln wo man möchte.

 

Ja, ihr habt ja recht, der Weg war klar, immer Richtung Kanaren, also sollte das Problem mit dem Wind nicht so groß sein. Aber wenn der genau aus der Richtung kommt in die wir wollen, macht es nicht wirklich Sinn los zu fahren und mit aller Gewalt das Ziel unter Motor oder materialmordend segelnd erreichen zu wollen…..

 

Also die Entscheidung wann es auf die nächste Etappe geht, liegt als erstes am Wind, der aus der passenden Richtung kommen muss und bis nach La Coruna wird die Uhrzeit des Ablegens auch noch von den Gezeiten beeinflusst, so viel zur erwarteten Freiheit.

 

Na ja und Urlaub, wie ist der denn so…..Üblicherweise verbringt man den in einem Hotel oder einer Pension, muss sich um nix kümmern, außer dem täglichen Unterhaltungsprogramm und der Entscheidung in welchem kulinarischen Tempel man den Göttern der Köche opfern möchte…..

 

Und wie sieht es bei uns aus…….wir haben leider keine guten Geister (außer unserem Klabautermann) an Bord, die uns die Mahlzeiten zubereitet, das Boot aufräumen und sauber halten, die Wäsche erledigen, die Kühlbox und die Vorrats Schapps wieder auffüllen. Dann sind die nötigen Reparaturen bzw. Wartungsarbeiten durch zu führen, vom ständigem Abwasch gar nicht zu reden (den erledigt, Gott sei Dank, meist Alex und ich bin fürs wegräumen zuständig).

 

 

 

Ich hoffe, ich habe die Romanze des Segelns und der Langfahrt nicht komplett untergehen lassen, denn ganz so schlimm wie dargestellt ist es dann doch nicht. Auch das vorab beschrieben zu 100% zutrifft, aber…….!

 

Ja aber, das „Aber“ ist das Entscheidende……Wir sind nicht auf der Flucht oder müssen zu einem bestimmten Termin irgendwo aufschlagen (wir haben am eigene Leib erfahren, dass das eh nicht funktioniert), somit ist es meist unkritisch auf das passende Windfenster zu warten.

 

Nun betrachtet mal Euren Alltag Zuhause ohne 8 Std. Arbeit? Was ihr alles in der Zeit erledigen oder anstellen könntet in der ihr normalerweise  an der Maloche seid. Und das ist unser Mehrwert……wir müssen die anliegenden Arbeiten nicht aufs Wochenende oder die Zeit zwischen Feierabend und Nachtruhe quetschen und können sie entspannt über Tag erledigen.

 

Das Sightseeing, welches in jedem neuen Hafen/Ankerbucht obligatorisch ist, lässt sich hervorragend mit der Suche nach den, für den täglichen Bedarf nötigen, Versorgungs-möglichkeiten kombinieren. Mit all den nötigen Aktivitäten kommt auch keine Langeweile an Bord auf. Mittlerweile ist die Entspannung so weit fortgeschritten, dass wir auch warten können, bis mancher unkritische Arbeitsanfall abgeklungen ist.

 

Kommen wir zu den sozialen Kontakten auf der Reise. Da wo wir anlegen/ankern sind meist schon andere Segler mit denen wir uns üblicherweise erst mal über folgende Themen austauschen, wenn uns denn danach ist. Es ist zuerst meist das woher und wohin, dann die Frage ob sie schon wissen wo es Brot fürs Frühstück, günstige Lebensmittel, eine Wäscherei, Bootszubehör und ggf. einen Geldautomaten sowie Wasser und Treibstoff gibt. Je nachdem wie gut man sich „riechen“ kann, können die Themen vertieft und erweitert werden und einer Einladung zu einem Sundowner oder einem gemeinsamen Abendessen steht nichts im Weg. Die Entscheidung des „riechen könnens“ ist unabhängig von der jeweiligen Nationalität der Segler, wir haben da keine Vorurteile und nehmen alle wie sie sind, einschränkend ist manchmal nur die Sprachbarriere, aber Segler sind kreativ.

 

Über die Monate, die wir unterwegs sind, haben wir es geschafft einige Crew’s intensiver kennen gelernt. Bei vielen ist es bei einem netten Treffen geblieben, andere haben wir auf der Route wieder getroffen und mit Manchen auch die eine oder andere Etappe abgestimmt. Zu einer tief verbunden Freundschaft hat es mit der Crew der „Auriga“ (https://aurigasea.wordpress.com) geführt. Wir möchten allerdings nicht versäumen auch andere lieb gewonnene Crew’s, wie die der „Beluga“, „Max“, „Magic-Cloud“, „Dada Tux“, „Gräfin 5“ und „Taras“ (kein Anspruch auf Vollständigkeit:-)) hier zu erwähnen.

 

So viel zum Alltag auf dem Törn.

 

 

 

Das Angenehme für mich ist, dass wir in unserer „Segelblase“, in einer Art Parallelwelt leben. Hier gibt es nicht die üblichen Sorgen, wie Verkehrsstau, Streß mit Job, Kollegen und Chef sowie den Alltagstrott. Auch die Politik in Deutschland/Europa betrifft uns nicht, da sie keinen Einfluß auf unser derzeitiges Leben hat und wir auch von unserer Route aus, keinen Einfluß nehmen können.

 

Wir haben andere, meist essenziellere Sorgen, die üblicherweise die Seetüchtigkeit unsere „Samantha“ sowie unsere Bequemlichkeit an Bord betreffen.

Bei allem, was diesbezüglich anliegt, können wir nicht, wie in der Politik, wochenlang um das Problem herum diskutieren, sondern müssen uns zügig um eine Lösung kümmern. Aus dem erfolgreich „gelösten Problem“ ziehen wir auch unsere Befriedigung und Motivation für das weiterführen des Törns.

 

 

 

Das Erfüllenste für mich ist es, aus dem Cockpit zu schauen, die Pelikane, Fregattvögel und Schildkröten zu beobachten, die unterschiedliche Farbe des Wassers, das Plätschern der Wellen am Rumpf, die sich spiegelnde Sonne auf den Wellen, das sich durch die Sonne ändernde Farbspiel in den Wolken, im Wasser und an Land zu bewundern. Den kühlenden Wind und das erfrischende Wasser zu genießen und sich am kitschigen Panorama von Palmen Strand und Meer zu ergötzen…………..

 



26.02.2017 Tag 565 unserer Reise……es geht los!!

 

Wir haben es geschafft!! Die Leck Stelle ist identifiziert und unter Kontrolle, somit steht der

Atlantik Überquerung nichts mehr im Weg! Wir bereiten alles darauf vor am Samstag dem

25.02.17 die Leinen los zu werfen. Einkaufen und Boot klarieren, Tschüß sagen, mehr steht

nicht mehr an.....und tanken natürlich!

Wir schaffen es auch am Samstag ab zu lege .......aber nur bis zur Tanke....wir brauchen

noch was Zeit, um uns Mental auf den Törn vor zu bereiten J

Sonntag früh ist es dann so weit, Frühstück, spülen, duschen, Zugangskarten abgeben und

dann geht es los. Um 10:20 Uhr brummt der Motor und 10 Min. später sind die Leinen los

und wir motoren nochmal durch den Hafen, Fender verstauen, Festmacher aufschießen und

weg packen, dann geht es los....ca. 820 Sm bis Mindelo, Cabo Verdes.

 

Ja wir haben uns entschlossen noch einen Stop auf den Cabo Verdes ein zu

legen....schließlich haben wir für 4,95 € schon eine Flagge gekauft..... der andere Grund ist,

dass die Auriga, mit der wir uns treffen wollten, ihre Pläne geändert hat und wir nie

zusammen kommen würden, auch wenn wir direkt in den südlichen Teil der Karibik segeln würden, somit auf nach Mindelo....

 

Die ersten 2 1/4 h laufen wir unter Motor und dann kommt die Genua raus...Wir laufen vorm

Wind mit Einfallswinkel 120°-150° von Bb., „Jaques“ (unser el. Autopilot) regelt das mit dem Kurs....

Zwischen La Palma und El Hierro bläst es in Böen mit bis zu 24 Kn, stört uns aber nicht,

Samantha geht da locker durch.....in der Nacht nimmt der Wind stetig zu und bläst um

Mitternacht permanent mit über 20 Kn. „Jaques“, mag das nicht so wirklich, deshalb drehen wir die Genua bis auf Sturmfock Größe weg, und siehe da, „Jaques“ hält locker Kurs und wir laufen noch über 5 Kn.

Montagmittag nehmen wir unsere Windsteueranlage, „Bernhard“, in Betrieb. Diese braucht keinen Strom und steuert nach Windeinfall, heißt wenn der Wind dreht folgt das Boot, somit sind die Segel immer optimal getrimmt. „Jaques“, der el. Autopilot steuert immer auf einen festen Punkt hin, wenn in dem Fall der Wind dreht, schlagen die Segel und Action ist angesagt.

 

Wir können leider keinen direkten Kurs halten, da der Wind zu sehr aus Nord kommt. Das soll

sich aber im Laufe der Woche ändern, denn dann bekommen wir NE, was für unseren Kurs

besser ist.

 

Gegen 21:00 Uhr sieht Alex an Stb. die Positionslichter eines Bootes und nach ein paar

Minuten sind sie wieder weg......Auf dem AIS ist nix zu sehen....wir machen uns so unsere

Gedanken....sind nur 250 Sm von der Afrikanischen Küste entfernt.....wer denkt da an Piraten...oder Schlimmeres….

Wenn es welche sein sollten, haben sie uns gesehen und sind vermutlich mit dem Boot auch

schneller als wir, also was tun....nix weiter, einfach Kurs halten......

Zur Sicherheit informiere ich einen Freund per Mail mit, Position, Kurs, Geschwindigkeit und was wir gesehen haben....wenn alles OK ist, bekommt er am Dienstag eine Entwarnung per Mail....

In meiner Wache sehe ich aus den Augenwinkeln einen Lichtstreifen am Horizont, könnte

eine Sternschnuppe gewesen sein, aber auch eine Leuchtrakete.....na egal, war weit weg....

Die Nacht ist rum und nix ist passiert....weiter geht‘s...Entwarnungsmail senden!

Der Tag plätschert so vor sich hin, Wind bläst mit 4 Bft.  und dreht immer weiter auf N, so dass wir uns um 17:30 Uhr für eine Halse entscheiden und dann auf unserer Schokoladenseite Bb-Bug mit ca. 250° und 5 Kn + durch die Nacht segeln. Gegen 21:30 Uhr haben wir die „Ocean Voyager“ auf dem AIS und passieren 1 h später in sicherem Abstand…

 

Der Wind läßt über den Tag nach und bläst nur noch mit um die 10 Kn, wir schaukeln in der Welle, die Genua fällt ein, bläht sich knallend wieder auf und mit einer der nächsten Wellen geht es wieder von vorn los…Wir setzen mal den Spibaum und können so die Genua stabilisieren….da wir in der Nacht keinen Stress haben wolle, ziehen wir vor der Dunkelheit den Baum wieder ein…

 

Der nächste Tag bringt, über Tag, weniger Wind, da wir aber immer noch Bb-Bug haben machen wir 4-5 Kn. Nach einer Halse setzen wir wieder den Spibaum bis am späten Nachmittag der Wind langsam auf Briest und in der Nacht mit komfortablen 5 Bft. bläst. Der Spibaum ist am späten Nachmittag wieder auf Deck verstaut. Um Mitternacht bläst es mit 6 Bft. und wir drehen die Genua ca. 1/3 ein, laufen immer noch über 5 Kn und „Bernhard“, unsere Windsteueranlage, dankt es uns mit einem genaueren Kurs.

 

Der Wind nimmt über Tag noch auf 6-7 Bft. zu, was uns auf dem Vorm-Wind-Kurs nix weiter aus macht, außer, dass die Wellen was höher werden und der Atlantik in den „niedrigen Schleudergang“ schaltet. Die Gribfiles zeigen, dass der Wind Richtung E drehen soll, Petrus weiß leider nix davon und wir fahren vor dem Abendessen noch eine Halse, laufen jetzt W-Kurs, was uns unserem Ziel leider nicht näher bringt…

 

Wir haben um Mitternacht (So. 05.03.17) noch 103 Sm bis zum Ziel und müssen taktieren, damit wir bei Hellem in Mindelo einlaufen. Birger macht einen Plan, rechnet die benötigten Strecken aus, steckt die Wendepunkte ab und hofft, daß der Plan funktioniert. Der Wendepunkt auf dem Westkurs ist zum berechneten Zeitpunkt erreicht und wir halsen auf berechneten Halb-Wind-Kurs……Entweder hat der Wind weiter gedreht als vorhergesagt oder Birger hat sich verplant (ich tippe aus einem Mix von Beidem :-) und wir laufen einen Am-Wind-Kurs Richtung Mindelo. Der Wind dreht weiter Richtung E, bläst mit 6-7 Bft. und wir fahren, nur noch mit Genua auf Sturmfock Größe reduziert (Genua ca. 2/3 eingedreht). Durch den E-lichen Wind schaffen wir es nicht mehr Kurs Mindelo zu halten, sondern machen meinem Namen alle Ehre und würden Santo Antaao direkt treffe ;-). Da ich nicht aufkreuzen möchte, entscheide ich mich Ab-Zu-Fallen und Santo Antaao im Lee zu passieren…Sobald wir abgefallen sind (S-Kurs), wird es auf Samantha wieder ruhiger, segeln immer noch mit 1/3 Genua und laufen über 5 Kn.

 

Um 3:30 Uhr passieren wir „Pta. Mangrade“ (W-Spitze Santo Antaao) und geraten ins Lee der Insel, der Wind schläft ein und der Atlantik beruhigt sich…Wir drehen die Genua ganz ein, was nicht sofort klappt, da wir einen Überläufer auf der Reff-Leinen-Trommel haben, der allerdings schnell behoben wird.

 

4:30 Uhr, ich sehe Land…äh Licht am Horizont, die Zivilisation hat uns fast wieder…..1 h später haben wir noch 28 Sm bis nach Mindelo und ich werfe den Fautenschieber an….mal sehen wie lang wir brauchen….Im Süden von Santo Antaao machen wir Flaggenparade, hissen die Cabo Verdes Flagge auf Stb. und die gelbe Q-Flagge auf Bb. (Q-Flagge zeigt an, dass wir noch nicht einklariert haben, sozusagen auf den Cabo Verdes noch nicht offiziell eingereist sind!)

 

Um 9:00 Uhr erreichen wir den Kanal „Saao Vicente“, den wir zwischen den Inseln überqueren müssen. Der Wind hat sich nicht beruhigt und es bläst mit 6-7 Bft. aus NE, genau auf die Nase. Egal wie wir Kurs legen, wir laufen bei 1800 Rpm nur zwischen 1,2-3,7 Kn. was sehr zermürbend ist. Um 11:00 Uhr taucht Saao Vicente aus dem Dunst auf, wir geraten weiter unter Land, die Wellen werden niedriger und die Geschwindigkeit stabilisiert sich bei 3 Kn. Als wir in die Bucht von Porto Grande einlaufen, geraten wir immer weiter unter Landabdeckung, der Wind und die Wellen werden weniger, Samantha immer schneller und gegen 14:30 Uhr sind wir in Mindelo angekommen. Wir haben die Hafenverwaltung angefunkt, keine Antwort bekommen und die Marina meldet sich auch erst nach dem X-ten Anruf…..wir motoren durch das Ankerfeld und an der Marina entlang, als sich diese dann doch meldet, entschließen wir uns erst mal da anzulegen um entspannt alles regeln zu können…..einklarieren, Müll entsorgen, Lebensmittel, Wasser und Diesel bunkern und natürlich mal wieder ausgiebig heiß duschen….

 

Um 15:30 Uhr sind wir fest am Steiger E und der Motor ist aus, wir sind angekommen, genießen einen Drink und dann ein Nickerchen……danach ist anmelden und einklarieren angesagt…

 

Statistik:

 

Für die benötigten 1047 Sm (direkter Kurs waren 800 Sm) haben wir 8 Tage und 4 Stunden gebraucht bei nur 14 Motorstunden. Die Durchschnittsgeschwindigkeit betrug somit 5,3 Kn wobei wir in der schnellsten 24 Stunden Etappe (Etmal) 147 Sm (Ø 6,1 Knoten) und in der langsamsten 113 Sm (Ø 4,7 Knoten) zurückgelegt haben. Die Wegstrecke haben wir nur um 31% verlängert…

 

An Brehms Tierleben haben wir nur eine Schule Grindwale zwischen La Palma und El Hierro gesehen sowie diverse Spanisch Galeeren (für uns schwimmende Zippo-Beutel) auf der restlichen Etappe…Seevögel haben wir nicht gezählt J  

 

 

 

Hier die gesegelte Route.....

der dünne schwarze Strich entspricht dem direkten Kurs, sprich den veranschlagten 800 Sm.

Das Violette ist die gesegelte Strecke, 1047 Sm...